Wie geht nachhaltiges investieren, Niklas Krämer?
Geld kann einen positiven Impact haben auf unsere Gesellschaft. Es kann Klimaschutz, Biodiversität und soziale Gerechtigkeit vorantreiben, wenn es klug eingesetzt wird – davon ist Niklas überzeugt. Niklas Krämer ist Finanz-Podcaster, Gründer und Partner bei der nachhaltigen Finanzberatung WertWende. In unserem Gespräch erzählt er uns, was Nachhaltigkeit für ihn bedeutet und wie du mit deinen finanziellen Mitteln einen positiven Einfluss auf unsere Zukunft haben kannst.
Wie würdest du jemandem, der wenig Erfahrung im Finanzbereich hat, beschreiben, was du beruflich machst, Niklas?
Bei Finance 4Future hinterfrage ich, wie nachhaltiges Investieren überhaupt eine Wirkung haben kann. Dazu interviewe ich die verschiedensten Expert:innen. Finanzen sind leider ein Thema, bei dem viele Menschen Unsicherheiten haben und dadurch nie ins Handeln kommen. Deshalb berate ich Menschen und helfe ihnen bei der konkreten Umsetzung. Mit zwei Partnern habe ich im letzten Jahr die Firma WertWende gegründet, wo ich auch das Portfoliomanagement verantworte – also die Auswahl der Fonds und ETFs für unsere Anlageempfehlungen.
Was bedeutet für dich nachhaltiges Investieren?
Nachhaltiges Investieren verstehe ich so: Ich „leihe“ der Wirtschaft Geld, damit diese damit arbeiten kann. Das tue ich aber nicht blind, sondern entscheide aktiv mit, auf welche Art und Weise gewirtschaftet wird! Ganz wichtig ist hier, nicht nur in bereits nachhaltige Unternehmen zu investieren, sondern auch in noch nicht 100 % nachhaltige Unternehmen und dort meine Aktionärsrechte wahrzunehmen, um diese Unternehmen nachhaltiger zu machen. Denn diese machen einen Großteil unserer Wirtschaft aus und nur in die dunkel-grünsten Unternehmen zu investieren ist ein wenig naiv, wenn man sich die Studienlage anschaut, die besagt, dass das kaum eine Wirkung hat.
Was ist dir besonders wichtig, wenn du nachhaltig investierst?
„Wirkung“. Die ist gerade bei Aktienfonds und ETF nicht ganz so einfach zu bestimmen oder gar messbar. Aber dennoch will ich klare, logische Wirkungskanäle sehen, über die mein Investment eine positive Wirkung haben kann.
Wie bist du dazu gekommen, nachhaltige Investments anzubieten?
Ob nachhaltig oder nicht, war für mich nie die Frage. Ich bin ja als gebürtiger Maschinenbau-Ingenieur in die Finanzbranche quer eingestiegen, WEIL ich dort mehr Hebel sehe für die Transformation unserer Wirtschaft. Investments „anzubieten“ hat sich dann einfach ergeben, als einfachster Business Case, mit meinem Wissen auch Geld zu verdienen und auch all mein Wissen in die Umsetzung zu begleiten. Außerdem macht mir die beratende Arbeit für meine Mandant:innen großen Spaß und ist ein guter Ausgleich für meine ganzen anstrengenden Nachforschungen.
Welche Services bietest du mit deinem Team an?
Uns ist es grundsätzlich wichtig, dass jeder und jede bekommt, was er oder sie will bzw. braucht. Ich stelle im ersten Gespräch immer zwei Fragen:
- Möchte sich die Person eigentlich selbst kümmern und benötigt nur einmalig Wissen oder möchte sie langfristig von einem Profi begleitet werden?
- Möchte die Person das Thema Finanzen ganzheitlich angehen, also z. B. inklusive Absicherungsthemen (auch Versicherungen können mehr und weniger nachhaltig sein), oder Hilfe bekommen zu einem bestimmten Thema – wie das Investment eines Einmalbetrags?
Daraus leitet sich dann ab, wie die Zusammenarbeit aussieht. Das machen wir komplett von dem oder der Mandant:in abhängig.
Wie gehst du vor, wenn du nachhaltige Investments finden möchtest?
Wenn ich von null starte, würde ich erstmal auf Google (oder besser: Ecosia – der Baum pflanzenden Alternative) recherchieren und mich einlesen in die Möglichkeiten, die es gibt. Konkret für Nachhaltigkeit gibt es leider noch wenige gute Quellen. ECOreporter wäre eine, Biallo hat ein paar gute Artikel, wir geben uns mit Finance 4Future natürlich auch beste Mühe.
Danach würde ich tatsächlich das Gespräch mit Expert:innen suchen. Und zwar tatsächlich am besten mehreren, zumindest zwei, damit man das jeweils Gesagte miteinander vergleichen und sich ein besseres Bild machen kann. Genau für diesen persönlichen Eindruck und tieferen Einblick soll ja auch der Finance 4Future-Podcast ein Angebot schaffen.
Abkürzung wäre das Gespräch mit Anlageberater:innen – nur leider kennen die sich zum Großteil selbst überhaupt nicht aus, was Nachhaltigkeit angeht. Am besten stehen die Chancen bei Berater:innen, die die ECOanlageberater-Zertifizierung haben und/ oder Mitglied bei dem Netzwerk Ökofinanz-21 sind.
Wie bewertest du, welche Investments nachhaltig sind und welche nicht?
Für mich heißt Nachhaltigkeit Wirkung. Das funktioniert in jeder Anlageklasse anders. Bei Aktienfonds und ETFs achte ich vor allem auf die Nutzung der Stimmrechte. Die übertragen wir als Aktionär:innen ja an unser Fondsmanagement – genauso wie die Auswahl der investierten Unternehmen. Hier ist der „Voting Matters“-Report der NGO ShareAction eine super Quelle. Echter Impact entsteht auf dem Aktienmarkt durch Engagement des Fondsmanagements mit den investierten Unternehmen. Das ist zugegebenermaßen schwer zu beurteilen, da kaum öffentlich. Das erfährt man eigentlich nur durch persönliche Gespräche mit den Verantwortlichen.
Wie unterscheidet sich deine Investmentstrategie von traditionellen Investmentansätzen?
Ich komme aus der Finanzwissenschafts-Bubble mit ihren Weltportfolios aus ETFs. Dahinter steckt die Grundannahme, dass man langfristig nicht besser sein kann als der Markt. Diese Philosophie liegt auch heute noch meinen Strategien zugrunde. Nur bestücke ich sie nun mit möglichst wirkungseffektiven Fonds und ETFs, deren Management repräsentativ die Aktionärsrechte nachhaltig einsetzt.
Das bildet die Grundlage eines sogenannten „Core-Satellite“-Konzepts, auf das wir in Folgeschritten auch mit alternativen Investments wie erneuerbare Energien, Sachwerte aufbauen.
Sachwerte heißt, dass die Rendite hier nicht aus irgendeinem Aktienkurs stammt, sondern tatsächlich z. B. aus dem Verkaufserlös von erneuerbar produziertem Strom. Das hat zwei schöne Effekte: Erstens ist hier eine Wirkung direkt erkennbar. Zweitens schwanken solche Sachwerte weniger stark und stabilisieren die Geldanlage insgesamt.
Wie vermeidest du Greenwashing-Vorwürfe bei deinen Investments?
Greenwashing-Vorwürfe entstehen meist durch Missverständnisse. Das Schlagwort ESG hat zum Beispiel erstaunlich wenig mit dem zu tun, was die meisten unter nachhaltig verstehen.
Jegliche Art von Washing, ob Green- oder auch Impact-Washing, kannst du am besten vermeiden, indem du das Produkt, in das du investierst, wirklich verstehst. Da gilt also umso mehr der berühmte Grundsatz: Investiere nur in das, was du verstehst. Aber: Hier kein falscher Perfektionismus, sonst machst du am Ende vielleicht gar nichts.
Beispiel (keine Anlageempfehlung!) für einen guten ersten Schritt wäre den ETF von BNP Paribas auf den MSCI World-Index mit dem Zusatz SRI monatlich zu besparen. Darin investiert man breit gestreut in Aktien von Unternehmen auf der ganzen Welt. BNP Paribas nutzt die Stimmrechte sehr gut und der Zusatz SRI (social responsible investing) schließt die schlimmsten Unternehmen aus. Ansonsten machen wir in unserem Fondsshop bei der WertWende ja auch unsere Strategien öffentlich. Hier kann man gerne selbst direkt ein Depot eröffnen oder sich inspirieren lassen von den aktiven Fonds, die teils sogar über die bloße Stimmrechtsnutzung hinaus intensiv bei den investierten Unternehmen Engagement betreiben.
Wie misst du den Erfolg deiner Anlagestrategie?
Ich arbeite tatsächlich gerade an unserem ersten Impact Report. Wie gesagt, auf dem Aktienmarkt ist das Engagement der Fondsmanager mit den investierten Unternehmen der wichtigste Faktor. Das ist allerdings schwer zu messen und geschieht oft hinter verschlossenen Türen. Hier möchte ich in Zukunft jedes Jahr einige Beispiele als Leuchtturmprojekte öffentlich machen.
Ansonsten prüfe ich, wie Fonds ihre Stimmrechte nutzen und schaue, ob sie bei Kapitalerhöhungen der investierten Unternehmen teilnehmen. Also, ob sie neue Aktien kaufen, wenn diese ausgegeben werden und die betreffenden Unternehmen so mit frischem Kapital versorgen.
Was sind die größten Herausforderungen, mit denen du bei der Umsetzung deiner nachhaltigen Anlagestrategie konfrontiert bist und wie gehst du damit um?
Die größte Herausforderung insgesamt sind die Hürden für Shareholder Activism – also das Einsetzen von Aktionär:innen für mehr Nachhaltigkeit bei ihren Unternehmen. Die sind nämlich gerade in Deutschland und Europa sehr hoch.
Zudem haben wir eine eher verschlossene Aktionärskultur. Die wichtigen Entscheidungen auf den jährlichen Hauptversammlungen der Unternehmen werden vorzugsweise hinter verschlossener Tür getroffen, statt sich öffentlichem Diskurs mit der Zivilgesellschaft zu stellen.
In meiner täglichen Arbeit ist der größte Frustfaktor aber, wie Nachhaltigkeit als Marketing-Masche missbraucht wird. Im Vertrieb verdient sich leider schnell Geld und genau hier muss man die meisten Finanzberater:innen in Deutschland leider einordnen: Vertrieb statt echter Beratung. Fachliche Kompetenz muss man leider den meisten Vermittler:innen absprechen. Hier hoffe ich natürlich, mit dem Finance 4Future-Podcast drüber hinwegzukommen und die Menschen zu erreichen, die die richtigen Fragen stellen zu echter Nachhaltigkeit und Wirkung.
Wie sind die Renditen mit nachhaltigen Anlagestrategien im Vergleich zu herkömmlichen – ist die klassische Rendite überhaupt das wichtigste Kriterium, oder misst du Erfolg anders?
Nachhaltig investieren ist immer noch investieren! Ein Renditeanspruch ändert erstmal nichts daran, wie nachhaltig etwas ist oder wie viel Impact etwas haben kann. Viele „Impact Cases“ sind gleichzeitig „Business Cases“. Viele Investitionen, die einen positiven Einfluss auf die Umwelt und die Gesellschaft haben, sind auch wirtschaftlich sinnvoll und können positive Renditen erzielen. Und das sind die, denen wir uns als nachhaltige Investor:innen berechtigterweise zuwenden, auch um unsere eigenen Bedürfnisse wie Altersvorsorge sicherzustellen.
Rendite ist immer Belohnung für Risiko. Deswegen gibt es auf dem Sparbuch weniger Zinsen als Renditechancen auf dem Aktienmarkt. Finanzwissenschaftlich gesehen, vermeidet man als nachhaltige:r Investor:in gewisse Nachhaltigkeitsrisiken – erhält dafür aber auch nicht die entsprechende Risikoprämie. Andererseits gibt es auch Studien, die von einer milliardenschweren CO2-Blase auf dem Finanzmarkt sprechen. Demnach seien viele Unternehmensbewertungen an der Börse (ergo deren Aktienkurs) viel zu hoch. Die Bewertung von Ölkonzernen preisen zum Beispiel zukünftige Gewinne aus dem Verkauf von fossilen Energieträgern ein, die nie verbrannt werden dürften, wenn die internationale Staatengemeinschaft auch nur irgendwo in die Nähe einer 2°-Klimaerwärmung kommen möchte. Wenn diese Fehlbepreisung korrigiert wird, erleiden nicht-nachhaltige Investor:innen natürlich große Verluste wie beim Platzen der Immobilienblase 2007/2008.
Langer Rede, kurzer Sinn: Es gibt keinen wissenschaftlich eindeutigen Konsens. Was es gibt, sind Analysen historischer Daten, die zeigen, dass nachhaltiges Investieren keine schlechtere Rendite bringt. Die meisten Menschen verlieren deutlich mehr Geld mit schlechten Rentenversicherungen oder schlechten Spar- und Anlegerverhalten.
Welche Veränderungen oder Entwicklungen erwartest du in den kommenden Jahren bei nachhaltigen Anlagestrategien?
Aktuell ist die Branche in großem Aufruhr aufgrund der plötzlich hochgefahrenen regulatorischen Anforderungen von der Europäischen Union. Aus dem Nichts wird gefordert, dass riesige Datenmengen verarbeitet und bereitgestellt werden sollen. Bei Finanzprodukten müssen diese Datenmengen einbezogen werden. Hier erwarte ich bis 2030 eine Normalisierung. Gleichzeitig sehen wir, dass sich erst seit wenigen Jahren die universitäre Forschung dem Begriff Wirkung zuwendet. Hier bin ich gespannt, wie zentral sich dieser eine Begriff etablieren kann, um den es ja eigentlich geht.
Noch immer wissen viele Menschen gar nicht, dass ihre Geldanlage und auch ihre Versicherungen überhaupt nachhaltig sein können. Hier wird eine große Nachfrage entstehen, weswegen die etablierten Player sich ja auch inzwischen auf den Weg gemacht haben. Meine Hoffnung ist, dass sich mit all den heute frei verfügbaren Informationen, schneller die Spreu vom Weizen trennen wird. Das ist bisher in der klassischen Finanzwelt ja immer noch nicht geschehen: Jede:r zehnte Deutsche ist zum Beispiel immer noch bei einem berühmt-berüchtigten vierbuchstabigen Strukturvertrieb finanz„beraten“, über den Jan Böhmermann sogar schon mal einen Satire-Beitrag beim ZDF Magazin Royale gemacht hat. Jetzt müssen wir es einfach schaffen, dass diese Trennung von Spreu und Weizen schneller geschieht. Das gelingt nur, wenn die Menschen sich mehr mit ihren Finanzen beschäftigen. Das Hamburger Banking-Start-up Tomorrow geht da in meinen Augen als bestes Beispiel voran, Finanzen mit Transparenz und Vertrauen wieder cool und fair zu machen.
Was hältst du vom ForTomorrow-Ansatz, EU-Emissionsrechte stillzulegen, um das Klima zu schützen in Europa? Und wie bewertest du in Abgrenzung dazu die Möglichkeit, in Emissionsrechte zu investieren?
Genial! Märkte sind ein so mächtiges Tool. Viele Missstände in unserer Wirtschaft und Gesellschaft stammen nicht von Märkten an sich, sondern, dass diese falsch eingesetzt werden. Der EU-Emissionshandel ist in meinen Augen eine der großen politischen Errungenschaften der letzten Jahre und muss jetzt nur noch entsprechend angezogen werden. Hier als NGO mit Spendengeldern reinzugehen und das zu beschleunigen, finde ich super.
Die meisten Investments in Emissionsrechte entpuppen sich am Ende leider als Zertifikate, also quasi Wettgeschäfte mit Banken auf den Kurs der zugrundeliegenden Emissionsrechte. Eine Wirkung entsteht dadurch nicht. Wer mit den Gewinnen daraus steigende Preise bei der privaten Stromrechnung ausgleichen will, kann das natürlich tun. Wer aber finanziell ordentlich plant und investiert, ist auf sowas nicht angewiesen und kann stattdessen lieber mit Wirkung spenden.
Was ist das beste Buch oder der beste Podcast für Menschen, die gerade starten, sich mit dem Thema ‘nachhaltige Finanzen’ auseinanderzusetzen?
Leider arbeite ich gerade noch an genau diesem Buch für Einsteiger:innen, das erscheint voraussichtlich im Herbst. Im Finance 4Future-Podcast möchte ich ja eher „cutting edge“ Research machen und setze ein paar Vorkenntnisse voraus. Bis dahin kann ich Jennifer Brockerhoffs Buch „Grüne Finanzen“ empfehlen.
Danke Niklas für das tolle Interview. Wenn ihr mehr wissen wollt über die Arbeit von Niklas und das Thema nachhaltige Finanzen, schaut gerne vorbei auf der WertWende-Webseite und hört rein in seinen Podcast.